Widerspruch gegen TI und PVS – und warum Ärzte dennoch behandeln müssen
Die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen bringt nicht nur Komfort, sondern auch neue Risiken mit sich – vor allem im Bereich des Datenschutzes. Immer mehr Patientinnen und Patienten stellen sich die Frage: Muss ich zulassen, dass meine Gesundheitsdaten in digitalen Systemen verarbeitet werden? Und: Was passiert, wenn ich dies ablehne?
Ein genauer Blick zeigt: Patienten haben sehr wohl Rechte – und Ärztinnen und Ärzte sind in vielen Fällen dennoch zur Behandlung verpflichtet.
Was ist die Telematikinfrastruktur (TI)?
Die Telematikinfrastruktur (TI) ist das digitale Netz, das Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken und Krankenkassen miteinander verbindet. Darüber laufen Anwendungen wie:
- die elektronische Patientenakte (ePA),
- die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU),
- das eRezept,
- und die Kommunikation im Medizinwesen (KIM).
Diese Systeme greifen tief in die Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten ein – oft über zentrale Server, Cloud-Systeme und netzwerkbasierte Dienste.
Kann ich als Patient der Verarbeitung über die TI widersprechen?
Ja. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) räumt Betroffenen das Recht ein, der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu widersprechen – auch im medizinischen Kontext.
Art. 21 DSGVO erlaubt es jedem Patienten, der TI-gestützten Verarbeitung aus persönlichen oder datenschutzrechtlichen Gründen zu widersprechen.
Auch für die elektronische Patientenakte gilt: Ohne ausdrückliche Einwilligung darf kein Arzt Daten dort speichern oder abrufen.
Was ist mit dem Praxisverwaltungssystem (PVS)?
Ein Praxisverwaltungssystem (PVS) ist ein lokales oder cloudbasiertes System zur Organisation medizinischer Daten in der Praxis. Es ist jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben, ein solches System zu nutzen. Ein Arzt kann seine Dokumentationspflicht auch auf Papier erfüllen (§ 630f BGB).
Fazit: Patienten können auch die Verarbeitung in einem PVS untersagen – insbesondere wenn es sich um ein cloudbasiertes oder vernetztes System handelt.
Ist der Arzt verpflichtet, mich trotz meines Widerspruchs zu behandeln?
Grundsätzlich ja. Ein Behandlungsvertrag kommt zustande, sobald ein Termin vereinbart und wahrgenommen wird – spätestens mit dem Erscheinen in der Praxis. Das regelt § 630a BGB.
Für Kassenärzte gilt darüber hinaus:
Sie sind verpflichtet, gesetzlich Versicherte zu behandeln, solange kein objektiv wichtiger Grund dagegen spricht (z. B. Überlastung, fachliche Gründe) – nicht aber ein Widerspruch gegen TI oder PVS.
Was muss der Arzt akzeptieren – und was darf er ablehnen?
Akzeptieren muss der Arzt:
- Den Widerspruch gegen TI-Verarbeitung
- Den Wunsch nach analoger Dokumentation
- Die Nichtteilnahme an ePA, eAU oder eRezept
Ablehnen darf der Arzt:
- Eine Behandlung, wenn sie objektiv unmöglich oder unzumutbar wird
(z. B. wenn keine Abrechnung über GKV mehr möglich ist)
Allerdings muss eine solche Ablehnung begründet und nachweislich erforderlich sein.
Musterschreiben für Patienten
Patienten können ihren Widerspruch schriftlich erklären. Ein solches Schreiben kann wie folgt aussehen:
Widerspruch gegen TI-Verarbeitung und digitale Dokumentation
Ich widerspreche hiermit der Verarbeitung meiner personenbezogenen Daten über die Telematikinfrastruktur (TI) gemäß Art. 21 DSGVO.
Ich untersage außerdem die Speicherung in cloudbasierten Praxisverwaltungssystemen und wünsche ausschließlich eine analoge Dokumentation.
Ich bitte darum, meine Behandlung entsprechend durchzuführen.
Mit freundlichen Grüßen
[Ihr Name]
Was tun, wenn der Arzt die Behandlung verweigert?
Sollte ein Arzt die Behandlung aufgrund eines solchen Widerspruchs ablehnen, können sich Patienten beschweren:
- bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV)
- beim Landesdatenschutzbeauftragten des Bundeslands
Ein Musterschreiben finden sie unter Widerspruch gegen TI-Verarbeitung – Bestehen auf Behandlung gemäß Behandlungsvertrag
Die Ablehnung kann rechtswidrig sein, insbesondere wenn bereits ein Behandlungstermin angenommen wurde.
Fazit: Datenschutz ist kein Behandlungsverhinderer
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen darf nicht zur Bedingung für eine medizinische Versorgung gemacht werden. Patienten haben das Recht, über die Art der Datenverarbeitung mitzuentscheiden – und Ärzte sind dabei nicht automatisch aus der Pflicht entlassen.
Gerade angesichts wachsender digitaler Abhängigkeiten lohnt es sich, für analoge Alternativen und Selbstbestimmung über die eigenen Gesundheitsdaten einzutreten.
Was kann der Patient tun, wenn die Ablehnungsbegründung nicht den wahren Grund wiedergibt?
Wenn ein Arzt die Behandlung verweigert und die schriftliche Begründung nicht den wahren Grund wiedergibt, kann das für den Patienten ein ernstes Problem darstellen. Der Arzt ist rechtlich verpflichtet, die Ablehnung der Behandlung zu begründeten und nachvollziehbaren Gründen zu erklären, insbesondere wenn diese im Widerspruch zu den Patientenrechten steht.
Was passiert, wenn der wahre Grund nicht genannt wird?
- Rechtswidrigkeit der Ablehnung: Wenn ein Arzt einen unvollständigen oder falschen Grund angibt, könnte die Ablehnung rechtlich unwirksam sein. Der Patient könnte in einem solchen Fall weiterhin Anspruch auf die Behandlung haben, insbesondere wenn der wahre Grund unzutreffend oder unbegründet ist.
- Anspruch auf Klarstellung: Der Patient hat das Recht, den Arzt zu bitten, die Ablehnungsbegründung zu präzisieren. Sollte die Begründung nicht ausreichend oder unklar sein, kann der Patient den Arzt schriftlich auffordern, die Begründung zu konkretisieren und zu erklären.
- Recht auf Beschwerde: Wenn der Patient den Verdacht hat, dass die Ablehnung auf rechtlich nicht zulässigen Gründen basiert (z. B. einem Datenschutz-Widerspruch, der nicht korrekt behandelt wurde), kann er sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder dem Landesärztekammer beschweren.
- Fehlende Transparenz in der Ablehnung kann auf eine rechtswidrige Handlung hindeuten, die weiter untersucht werden muss.
- Klagen auf Behandlung: Falls der Arzt weiterhin ohne rechtlich ausreichende Begründung die Behandlung verweigert, kann der Patient auch den Rechtsweg einschlagen und eine Verfügung beim Amtsgericht anstreben, um die Behandlung durchzusetzen. Insbesondere, wenn die verweigerte Behandlung medizinisch notwendig und nicht durch den Widerspruch des Patienten gerechtfertigt ist.
Was kann der Patient tun, wenn die Ablehnungsbegründung nicht den wahren Grund wiedergibt?
- Nachfragen und Klärung verlangen: Der Patient kann den Arzt dazu auffordern, die genauen Gründe für die Ablehnung aufzulisten und die Ablehnung schriftlich zu dokumentieren.
- Beschwerde einlegen: Wenn der Patient glaubt, dass die Begründung nicht korrekt oder unvollständig ist, kann er dies bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Landesärztekammer melden.
- Rechtsanwalt hinzuziehen: Sollte der Arzt sich weiterhin weigern, ist es ratsam, einen Rechtsanwalt für Medizinrecht zu Rate zu ziehen, um die eigenen Rechte durchzusetzen.
Das Bedeutet:
Die Behandlungsverweigerung muss immer rechtlich begründet sein. Wenn der wahre Grund nicht genannt wird, hat der Patient die Möglichkeit, die Fehlbegründung anzufechten und seine Behandlung rechtlich durchzusetzen.