Das Opt-out-Verfahren zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ist ein zentrales Thema im deutschen Gesundheitswesen. Es soll die Effizienz und Vernetzung innerhalb des Gesundheitssystems verbessern, indem Patienteninformationen digital zugänglich gemacht werden. Dies erleichtert Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern den Zugriff auf relevante medizinische Daten, wodurch die Behandlung schneller und zielgerichteter erfolgen kann.
Allerdings sind mit der Einführung der ePA auch erhebliche rechtliche und ethische Bedenken verbunden. Besonders kritisch ist dabei die Frage, ob das Opt-out-Verfahren rechtskonform ist, wenn die Krankenkassen die Informationen zur ePA nicht barrierefrei zur Verfügung stellen und die Versicherten nicht ausreichend über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt wurden. Auch wird die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht gesteigert durch das Opt-Out-Verfahren
Ein zentrales Anliegen hierbei ist die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die strenge Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten stellt. Darüber hinaus müssen auch die Informationspflichten gemäß §343 Abs. 1a des Sozialgesetzbuches (SGB) und §630e des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) berücksichtigt werden. Eine Missachtung dieser Vorschriften könnte schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und das Vertrauen der Versicherten in das Gesundheitssystem beeinträchtigen.
In diesem Artikel beleuchten wir die wesentlichen rechtlichen Vorgaben, die bei der Einführung der ePA und des Opt-Out-Verfahrens beachtet werden müssen. Wir geben einen Überblick über die einschlägigen Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), des Sozialgesetzbuches (SGB), des Digitalgesetzes (DigiG) und des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG). Darüber hinaus betrachten wir die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und deren Implikationen für die Aufklärung und Einwilligung der Patienten. Ziel ist es, die Notwendigkeit einer umfassenden und transparenten Informationspolitik zu unterstreichen, damit Patienten eine auf freiwilliger Basis und informiert, eine Entscheidung treffen können.
- 630e BGB: Dieser Paragraph regelt die Aufklärungspflicht der behandelnden Ärzte. Er stellt sicher, dass Patienten umfassend über alle relevanten Aspekte einer medizinischen Maßnahme informiert werden, einschließlich Risiken, Alternativen und Erfolgsaussichten. Für das Opt-Out-Verfahren der ePA bedeutet dies, dass die Patienten detailliert über die Funktionsweise, den Nutzen, potenzielle Risiken und die Datenschutzaspekte der ePA aufgeklärt werden müssen, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.
- 343 Abs. 1a SGB V: Dieser Paragraph verpflichtet die Krankenkassen, ihre Versicherten umfassend und transparent über die elektronische Patientenakte zu informieren, bevor sie diese bereitstellen. Die Aufklärung muss in einer klaren und verständlichen Sprache erfolgen. Für das Opt-Out-Verfahren bedeutet dies, dass die Krankenkassen sicherstellen müssen, dass alle relevanten Informationen über die ePA und die Möglichkeit des Widerspruchs (Opt-Out) den Versicherten leicht zugänglich gemacht werden.
- 3 DigiG: Das Digitalgesetz (DigiG) legt fest, dass der Zugang zu digitalen Gesundheitsdiensten für alle Patienten sicher und zuverlässig gewährleistet sein muss. Dies schließt die Notwendigkeit ein, dass Patienten über digitale Gesundheitsdienste wie die ePA aufgeklärt werden müssen, um sicherzustellen, dass sie fundierte Entscheidungen über deren Nutzung treffen können.
- 4 GDNG: Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) regelt die Nutzung von Gesundheitsdaten. Es verlangt, dass die Nutzung dieser Daten nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Personen erfolgt. Bei der Einführung des Opt-Out-Verfahrens muss sichergestellt werden, dass die Patienten über ihre Rechte und die Möglichkeit, der Nutzung ihrer Gesundheitsdaten zu widersprechen, umfassend informiert sind.
- Art. 6 DSGVO: Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist ein zentraler Rechtsrahmen für den Schutz personenbezogener Daten in der EU. Art. 6 DSGVO legt fest, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann rechtmäßig ist, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung gegeben hat. Daher ist eine umfassende Aufklärung über die ePA und das Opt-Out-Verfahren unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Einwilligung der Patienten gemäß DSGVO rechtskonform eingeholt wird.
- Art. 3 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union: Dieser Artikel betont das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und unterstreicht die Bedeutung einer menschenwürdigen Behandlung in allen Kontexten, einschließlich medizinischer Verfahren. Dies impliziert, dass die Patienten umfassend informiert werden müssen, um sicherzustellen, dass ihre Rechte und ihre Würde gewahrt bleiben.
Barrierefreiheit und ihre rechtliche Bedeutung
Barrierefreiheit ist ein essenzieller Aspekt, der sicherstellen soll, dass alle Informationen und Dienstleistungen uneingeschränkt für alle Menschen zugänglich sind. Dies gilt auch für die Informationen zur ePA. Die Nichtbereitstellung barrierefreier Informationen kann dazu führen, dass bestimmte Versichertengruppen benachteiligt werden und keine informierte Entscheidung treffen können. Dies könnte gegen das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sowie Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, der die Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung aller Menschen fordert.
Die Angabe einer Internetadresse für weiterführende Informationen allein genügt in den meisten Fällen nicht den Anforderungen der Barrierefreiheit, wie sie von gesetzlichen Regelungen gefordert wird. Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Personen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigten Zugang zu Informationen und Dienstleistungen haben müssen.
Ein paar wichtige Punkte dazu:
Mehrkanal-Kommunikation: Informationen sollten nicht nur online, sondern auch in gedruckter Form, per Telefon oder in persönlichen Beratungsgesprächen zugänglich gemacht werden. Insbesondere für Menschen mit eingeschränktem Zugang zum Internet oder digitalen Endgeräten sind alternative Kommunikationswege erforderlich.
Einfachheit und Verständlichkeit: Die Informationen müssen in klarer und einfacher Sprache formuliert sein. Das gilt für das Anschreiben selbst ebenso wie für die Inhalte der verlinkten Webseite.
Technische Barrierefreiheit: Webseiten müssen den Standards der Barrierefreiheit entsprechen, z.B. durch die Bereitstellung von Text-Alternativen für Bilder, eine einfache Navigation und die Kompatibilität mit Screenreadern.
Verfügbarkeit von Unterstützung: Es sollte einfach sein, Unterstützung bei der Nutzung der ePA zu erhalten, z.B. durch Telefon-Hotlines, E-Mail-Support oder persönliche Beratungstermine.
Wenn eine Krankenkasse lediglich auf eine Webseite verweist, ohne diese Aspekte zu berücksichtigen, erfüllt sie vermutlich nicht die Anforderungen der Barrierefreiheit vollständig. Für eine rechtskonforme und barrierefreie Information müssen die Krankenkassen sicherstellen, dass alle Versicherten die notwendigen Informationen in einer für sie zugänglichen Form erhalten.
Fazit
Die Umsetzung des Opt-out-Verfahrens zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) wirft erhebliche rechtliche Fragen auf. Insbesondere die Nichtbereitstellung barrierefreier Informationen und die fehlende Aufklärung über Risiken könnten gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), §343 Abs. 1a des Sozialgesetzbuchs (SGB), §630e des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und weitere Regelungen zur Barrierefreiheit verstoßen.
Wenn eines oder mehrere dieser Gesetze nicht beachtet werden, kann dies erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsgültigkeit des Opt-Out-Verfahrens für die ePA haben. Die ordnungsgemäße Aufklärung, Einholung der Zustimmung und Gewährleistung der Barrierefreiheit sind wesentliche Voraussetzungen, um die Rechtskonformität des Verfahrens sicherzustellen. Verstöße gegen diese Vorgaben können rechtliche Herausforderungen und Anfechtungen nach sich ziehen, die die Implementierung und den Betrieb des Opt-Out-Verfahrens gefährden könnten.
Eine sorgfältige Prüfung und Anpassung der Informations- und Aufklärungsverfahren durch die Krankenkassen / Verantwortlichen ist daher unerlässlich.